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Ausgabe für Braille-Zeile und Screenreader.
25.03.2017

Sendemast Zehlendorf gesprengt

Um Punkt 14 Uhr wurde heute der Sendemast in Zehlendorf gesprengt. Sehen Sie hier das Video der Sprengung: https://www.youtube.com/watch?v=qop82crAies

Hier unser Beitrag:

"Auf den Skalen alter Radios findet man allerhand Städte-Namen. Sie markieren wichtige Sender: London, Hörby, Paris, Moskau, Zehlendorf.

Zehlendorf, damals wie heute ein kleiner Ortsteil von Oranienburg, rund 30 Kilometer nördlich von Berlin.

Ländliche Idylle. Auf einer saftig grünen Wiese steht ein großer Sendemast. Ein sehr großer. Knapp 360 Meter misst er vom Scheitel bis zur Sohle. Ein weiß-rot gepinselter Stahlfachwerkmast. 15 Pardunen verleihen ihm den nötigen Halt.

Zehlendorf wurde einst als Funk-sende-stelle Rehmate errichtet. Im dritten Reich wurden hier die Sport-Ergebnisse und Presse-Bilder der Olympischen Sommer-Spiele von 1936 in alle Welt übertragen.

Zu Spitzenzeiten standen hier bis zu Dreißig Antennen. Als nach dem Krieg große Teile der Anlage als Reparationszahlungen an die Sowjets gingen, beschloß die DDR hier eine Rundfunk-Sendestelle zu erreichten. So entstand zunächst eine Dreieck-Flächenantenne.

Anfang der 1960-er Jahre wurde ein 350 Meter hoher Stahlfachwerkturm errichtet. Der Rundfunk der DDR nutze ihn zur Verbreitung seines Langwellenprogramms auf zuletzt 177 kHz.

Als im Mai 1978 eine sowjetische MIG eine Pardune durchschnitt, stürzte der Sturm ein. Eine Anwohnerin erinnert sich. Sie stand damals im Garten, als plötzlich ein Grollen durch die Luft ging. Als sie nach oben blickte, war der Mast einfach verschwunden.

Die Sowjets bauten ihn kurze-hand wieder auf. Kurios dabei: Um die strengeren baulichen Vorschriften der DDR zu umgehen, errichteten Sie nicht nur einen Mast, sondern auch eine sowjetisch Exklave auf dem Gebiet der Baustelle.

Nach der Wende wurde ein neuer 500 kW starker Sender und eine neue Reusen-Antenne errichtet. Neben Megaradio wurde am Standort Zehlendorf über Mittelwelle auch die Stimme Russlands ausgestrahlt. Zuletzt übernahm Deutschland-Radio Kultur die Sendezeiten auf Langwelle 177 kHz.

Vor rund zwei Jahren wurde der Langwellensender aus Kostengründen stillgelegt. Wie so viele Mittelwellen- und Langwellen-Standorte in den westlichen Ländern.

Ich stehe immer noch auf der saftig grünen Wiese. Dorfbewohner aus Zehlendorf haben sich zum Picknick verabredet und den Grill angeschmissen. Im eigenen Garten beobachten Sie das Spektakel quasi aus der ersten Reihe.

Sie sind froh, wenn der Mast weg ist, sagen sie. Vors Mikrofon will aber niemand.

Auf einem nahegelegenen Sportplatz, gleich neben den großen Sendehallen, kickert der örtliche Fußballverein unbekümmert.

Polizei und Feuerwehren fahren aufgeregt die Strassen auf und ab. Über einen Feldweg pilgern Schaulustige bis zur Absperrung.

Dann erfolgt das finale Signal zur Sprengung. Kurzdarauf durchtrennen mehrere Sprengladungen die dem Wind zugewandten Pardunen.

Sanft, fast schon elegant, legt sich der Mast in den Wind. Dann erfolgen zwei weitere Sprengungen direkt am Mast. Nun fällt er fast senkrecht in sich zusammen.

Ein Grollen liegt in der Luft. Wie einst, als er schon mal einstürzte. Nur heute wird er nicht mehr wieder-errichtet.

Drei Signale markieren das Ende der Sprengung. Und das Ende der Groß-Sendestelle Zehlendorf.

Was bleibt, ist der Name auf den Skalen alter Radios.

Daniel Möller, Berlin, für „Radio. Menschen und Geschichten.“

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